OGH: Rückforderung von Mietzinsen während Lockdown trotz vorbehaltsloser Zahlung möglich

1. Ausgangslage / Sachverhalt

In der Entscheidung zu 3 Ob 73/23s ist die Beklagte unter anderem Mieterin eines Geschäftslokals. Pandemiebedingt gab es in der Gastronomie behördliche Betriebsschließungen in den Zeiträumen vom 16. März 2020 bis 14. Mai 2020, vom 3. November 2020 bis 18. Mai 2021 und vom 22. November 2021 bis 16. Dezember 2021. Die Beklagte hat die Mietzinse für das Geschäftslokal im März, April und Mai 2020 vorbehaltlos geleistet. In den Monaten November 2020 bis April 2021 leistete sie keine Zinszahlungen.

Die Vermieterin begehrte mit ihrer Klage die Zahlung der Bestandzinsrückstände sowie Mahnspesen.

Die Beklagte vertrat die Rechtsmeinung, dass die für das Geschäftslokal nicht gezahlten bzw. zurückgeforderten Mietzinse Zeiträume pandemiebedingter Betriebsschließungen betreffen würden und sie daher keine Mietzinse schulde, da keine Betriebsführung möglich gewesen sei.

Das Erstgericht sprach aus, dass für Zeiträume, in denen das Geschäftslokal pandemiebedingt geschlossen und daher unbenützbar gewesen sei, die Beklagte keine Bestandzinsen entrichten müsse. Die Mietzinse für die Monate November 2020 bis April 2021 könne die Klägerin daher nicht geltend machen. Die von der Beklagten für die Monate März bis Mai 2020 gezahlten Mietzinse könne diese jedoch nicht zurückfordern, weil sie die Zahlungen ohne Vorbehalt geleistet habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der OGH hingegen sprach aus, dass das Berufungsgericht von den Rechtsgrundsätzen zur Rückforderung nicht geschuldeter Mietzinszahlungen abgewichen ist.

2. Kernaussagen des Obersten Gerichtshofes

Grundsätzlich ist die Rückforderung gemäß § 1431 ABGB ausgeschlossen, wenn der Schuldner über den Bestand der Schuld begründete Zweifel hatte und dennoch ohne Vorbehalt leistete, sofern die Zahlung den rechtsgeschäftlichen Zweck hatte, einen zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Streit endgültig zu erledigen.

Die Begründung für diese rechtliche Konsequenz findet sich darin, dass der Gläubiger in einem solchen Fall das Erklärungsverhalten des Schuldners als Verzicht auf die Zinsbefreiung werten darf.

Anfang 2020 bestand über die rechtlichen Auswirkungen der pandemiebedingten behördlichen Maßnahmen auf Bestandverhältnisse noch völlige Unklarheit, weshalb die vorbehaltlos erfolgten Zahlungen der Beklagten für die Monate März bis Mai 2020 nicht als Verzicht auf deren Rückforderung gewertet werden können.

Der Beklagten steht für die genannten drei Monate daher der geltend gemachte Rückforderungsanspruch zu.

3. Fazit

Der OGH stellt durch diese Entscheidung klar, dass die vorbehaltlose Zahlung des Mietzinses trotz eines pandemiebedingten Zinsminderungsrechts die Rückforderung nur dann ausschließt, wenn die vorbehaltslose Zahlung als schlüssiger Verzicht auf die Zinsminderung zu verstehen ist.

Die Zinsminderungen für Mietzinse, die während des ersten Lockdowns bezahlt wurden, können vom Mieter trotz vorbehaltloser Zahlung geltend gemacht werden, weil die vorbehaltslose Zahlung wegen der damals herrschenden Unklarheit über die rechtlichen Folgen nicht als konkludenter Verzicht gewertet werden kann.

Unser Team berät Sie gerne bei Fragen zur Mietzinsminderung und anderen mietrechtlichen Themen. Ihre Ansprechpartner finden Sie hier.

Dr. Gerald Waitz                                         Mag. Sophie Stürmer

 

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