Verfassungsgerichtshof: Gastro-Auskunftspflicht ist gesetzwidrig

1. Ausgangslage

Aufgrund der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend Auskunftserteilung für Contact Tracing im Zusammenhang mit Verdachtsfällen von COVID-19, ABl der Stadt Wien 41/2020 (im Folgenden kurz „Wiener Contact Tracing VO“), waren Betriebsstätten, wie z.B.: Gasthäuser, verpflichtet, bestimmte personenbezogenen Daten (wie etwa Vorname, Nachname, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Tischnummer) von den Gästen zu erfassen, für die Dauer von 4 Wochen zu speichern, und bei COVID-19 Verdachtsfällen an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu übermitteln.

Die betreffende Verordnung des Magistrats der Stadt Wien ist am 27.09.2020 in Kraft und am 31.12.2020 außer Kraft getreten.

Für die Verletzung der Anzeige- oder Meldepflicht war eine Geldbuße in Höhe von bis zu EUR 2.180,00 vorgesehen.

Für den Inhaber eines Restaurants in der Wiener Innenstadt stellte sich die Wiener Contact Tracing VO gleich aus mehreren Gründen als gesetzwidrig dar: Die normierte Auskunftspflicht weise keine gesetzliche Grundlage auf, verstoße gegen das Grundrecht auf Datenschutz, das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung und verletze zudem den Gleichheitsgrundsatz.

Der betreffende Individualantrag des Gastro-Betreibers war – zumindest im Hinblick auf das Grundrecht auf Datenschutz – erfolgreich.

2. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes

In seinem Erkenntnis vom 10.03.2021 zu V 573/2020 qualifizierte der VfGH die durch die betreffende Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vorgeschriebene Datenerhebung und ‑übermittlung als einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz.

  • 5 Abs 3 Epidemiegesetz normiere zwar eine allgemeine Auskunftspflicht für bestimmte Einrichtungen im Zusammenhang mit den Erhebungen über das Auftreten einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Epidemiegesetzes (wozu nunmehr auch explizit SARS-CoV-2 zählt), eine ausdrücklich verankerte Pflicht zur Erhebung und Übermittlung bestimmter Kundendaten von Gastronomiebetrieben sei von der Auskunftspflicht des § 5 Abs 3 Epidemiegesetz aber jedenfalls nicht umfasst.
  • 5c Epidemiegesetz ermöglicht zudem, die Verpflichtung von Betreibern näher bezeichneter Einrichtungen und von Veranstaltern zur Erhebung und Übermittlung von Daten an die Bezirksverwaltungsbehörden durch Verordnung vorzusehen, „soweit und solange dies aufgrund der COVID-19-Pandemie unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist„. § 5c Abs 1 Z 1 bis Z 8 Epidemiegesetz legt jene Kategorien von Einrichtungen fest, die durch Verordnung zur Erhebung und Übermittlung von Daten auf Verlangen der Bezirksverwaltungsbehörde durch Verordnung verpflichtet werden können. § 5c Abs 3 Epidemiegesetz zählt die Daten abschließend auf, deren Verarbeitung durch Verordnung verpflichtend vorgesehen werden kann.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass § 5c Epidemiegesetz im Hinblick auf den Umfang der zur Datenverarbeitung Verpflichteten sowie der zur Erhebung vorgesehenen personenbezogenen Daten schwerwiegende Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nach Art. 8 EMRK und § 1 DSG ermöglicht.

Bei Maßnahmen, die zu einem solchen Grundrechtseingriff führen, ist es nach Ansicht des VfGH daher unbedingt erforderlich, dass die Behörde aktenmäßig nachvollziehbar macht, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände sie die betreffende Maßnahme für erforderlich und insgesamt angemessen hält. Da diese Entscheidungsgrundlagen im Falle der Wiener Contact Tracing VO nicht erkennbar waren, verstieß die angefochtene Regelung (konkret: § 1 Z 2 lit und § 2 der VO des Magistrats der Stadt Wien) gegen das Epidemiegesetz 1950. Der VfGH hat daher festgestellt, dass diese Regelung gesetzwidrig war.

Dieses Erkenntnis des VfGH verdeutlicht zweierlei: Zum einen, dass im Rahmen der COVID-19 Maßnahmen oftmals verfassungsrechtliche Grundsätze (gänzlich) außer Acht gelassen werden. Zum anderen, dass Datenschutz Fluch und Segen zugleich sein kann.

Sollten Sie weitergehende Informationen zu diesem Thema wünschen oder generell beim Thema Datenschutz Unterstützung benötigen steht Ihnen unsere Expertin Rechtsanwältin Mag. Verena Eibensteiner-Palmstorfer, LLB.oec jederzeit gerne zur Verfügung zur Verfügung.

 

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