Vertragsrecht im Zusammenhang mit COVID-19

Zahlreiche UnternehmerInnen sehen sich angesichts der COVID-19/SARS-CoV-2 Pandemie und den damit einhergehenden Beschränkungen des Wirtschaftslebens mit Zahlungs- und / oder Lieferschwierigkeiten konfrontiert. Gerade in diesen Zeiten kann es dazu kommen, dass die Vertragserfüllung unmöglich oder unzumutbar wird. Doch wie verhalten Sie sich gegenüber Ihren Kunden oder Lieferanten richtig?

Wir möchten Ihnen hiermit einen ersten Leitfaden geben:

1. Pacta sunt servanda auch in Zeiten der Krise

Der lateinische Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ gilt auch in Krisenzeiten. Das bedeutet, dass Verträge grundsätzlich für die Parteien weiterhin rechtsverbindlich sind.

Eine andere Beurteilung kann sich aus der betreffenden Vereinbarung selbst oder aus dem allgemeinen Zivilrecht (§§ 917 ff ABGB) ergeben. Zu prüfen ist somit, ob die AGB, Lieferkonditionen oder Einkaufsbedingungen etc. eine entsprechende vertragliche Bestimmung für Fälle höherer Gewalt („force majeure“ oder „vis major“) vorsehen oder ob auf das Leistungsstörungsrecht des ABGB zurückgegriffen werden muss.

2. COVID-19/SARS-CoV-2 als force majeure/vis major

Unter „höherer Gewalt“ ist nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung „ein von außen her auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das nicht in einer gewissen Häufigkeit und Regelmäßigkeit vorkommt und zu erwarten ist und durch äußerste zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann“ zu verstehen (RIS-Justiz RS0029808).

Der Oberste Gerichtshof qualifizierte den Ausbruch der Infektionskrankheit SARS im Zusammenhang mit Reiseverträgen als höhere Gewalt (OGH 14.06.2005, 4 Ob 103/05 f). Es ist davon auszugehen, dass dies auch im Falle der COVID-19/SARS-CoV-2 Krise gilt.

Es ist daher zu prüfen, ob in Ihrem Fall eine solche Klausel zu force majeure/vis major wirksam vereinbart wurde, wie weit diese im Einzelfall reicht und welche Rechtsfolgen daran geknüpft sind. Voraussetzung dabei ist, dass die Unmöglichkeit der Leistungserbringung (Lieferung oder Zahlung) durch die COVID-19/SARS-CoV-2 Krise bedingt ist.

3. Allgemeines Leistungsstörungsrecht

3.1 Verzug

Der Schuldner einer Leistung gerät in Verzug, wenn er die vereinbarte Leistung nicht am gehörigen Ort, nicht zur gehörigen Zeit oder nicht auf die bedungene Weise erfüllt. Können somit Liefertermine oder Lieferfristen, z.B.: aufgrund der behördlichen Schließung des Unternehmens, nicht eingehalten werden, handelt es sich um einen objektiven Verzug.

Die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der Sache geht nicht mit dem vereinbarten Übergabetermin auf den Gläubiger über. Den Schuldner trifft bei einer Speziesschuld weiterhin die Preisgefahr (Verlust des Anspruchs auf Gegenleistung) und bei einer Gattungsschuld die Leistungsgefahr (Pflicht zur Ersatzbeschaffung). Bei einer Geldschuld hat der Gläubiger für die Dauer des Schuldnerverzugs Anspruch auf die gesetzlichen Verzugszinsen (beim Unternehmergeschäft: 9,2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz).

Diese Verzugsfolgen treten verschuldensunabhängig ein. Im Falle des Zahlungsverzugs kann versucht werden, mit dem Vertragspartner eine Stundungsvereinbarung zu treffen.

Der Gläubiger hat in diesem Fall das Wahlrecht, entweder weiterhin Vertragserfüllung zu verlangen oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten. Welche Fristdauer als angemessen gilt, richtet sich den Umständen des Einzelfalls.

3.2 Nachträgliche Unmöglichkeit

Ist nach Vertragsabschluss die Leistungserbringung nicht bloß vorübergehend unmöglich, liegt nachträgliche Unmöglichkeit vor. Trifft – wie im Falle der COVID-19/SARS-CoV-2 Krise – keine der Vertragsparteien ein Verschulden an der Unmöglichkeit, liegt ein Fall zufälliger nachträglicher Unmöglichkeit vor. Das bedeutet der Vertrag zerfällt: Der Schuldner wird von seiner Leistungspflicht befreit, verliert aber auch seinen Entgeltanspruch. Bereits erbrachte Leistungen sind rückabzuwickeln.

3.3 Fixgeschäft

Ist die Leistung zu einem fest bestimmten Zeitpunkt zu erfüllen oder ergibt sich aus der Natur oder aus dem Zweck des Rechtsgeschäfts, dass der Gläubiger an einer verspäteten Leistung kein Interesse mehr hat und kann nun angesichts der COVID-19/SARS-CoV-2 Krise nicht fristgerecht erfüllt werden, liegt ein Fall nachträglicher Unmöglichkeit vor und der Vertrag zerfällt.

3.4 Wegfall der Geschäftsgrundlage

Die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage kann als ultima ratio dann zum Tragen kommen, wenn der Schuldner zwar leistungsbereit und auch leistungsfähig ist, die vereinbarte Leistung für den Vertragspartner aber inzwischen aufgrund der Krise wertlos geworden ist. Es kommt zur Anpassung oder Anfechtung des Vertrages. Eine genaue Prüfung der Umstände des Einzelfalls ist hier unumgänglich.

3.5 Schadenersatz

Eine Pflicht zur Leistung von Schadenersatz tritt grundsätzlich dann ein, wenn eine bestehende Lieferpflicht schuldhaft verletzt wird. Ein Verschulden könnte etwa beim Neuabschluss von Verträgen in Kenntnis der COVID-19/SARS-CoV-2 Krise und den damit einhergehenden möglichen Lieferschwierigkeiten oder im Falle des Außerachtlassens der zumutbaren Sorgfalt bei der Gestaltung der internen Abläufe angenommen werden.

Im Falle eines Unternehmergeschäfts wäre nicht nur der positive Schaden, sondern auch der entgangene Gewinn zu ersetzen.

4. Handlungsempfehlungen

  • Prüfen Sie Ihre Verträge (Anwendbares Recht?, Ausschluss/Anwendbarkeit UN-Kaufrecht?, Force majeure/Vis major-Klauseln?).
  • Bei bereits virulenten oder absehbaren Zahlungs- und/oder Lieferschwierigkeiten: Treten Sie umgehend mit Ihrem Vertragspartner in Kontakt.

Nähere Informationen erhalten Sie über telefonische oder elektronische Kontaktaufnahme mit unserer Kanzlei.

Anfragen nehmen wir jederzeit telefonisch unter 0732/773702 oder per E-Mail an office@waitz-rechtsanwaelte.at entgegen.

 

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